Wenn ich bloß nicht auffallen will oder soll, kompensiere ich. Je nach Tagesform sogar sehr viel. Man darf mir mein Anderssein nun mal manchmal nicht ansehen. Meinen für andere seltsamen Gang, mein nervöses herumspielen mit meinen Fingern, usw.
Kompensation wurde schon früh vonn mir gefordert, eigentlich kompensierte ich 90% meiner Kindheit bzw auch als ich mit 15, 16, 17 als jugendlich galt. Ich musste die laute Klasse über 6-8 Schulstunden ertragen, die ekligen neon Lampen, die mich jedes mal blendeten und natürlich sollte ich auch noch ausreichend sozial sein, mich mit anderen unterhalten und währenddessen eben bloß nicht “komisch2 sein. Bloß nicht auffallen.
Auch auf der Heimfahrt war ich am Kompensieren. Die lauten Mitreisenden, das stressige wirrwarr des vollen Zuges und des danach vollen Gleises. Auch hier: Bloß nicht auffallen. Das funktionierte auch eine ganze Weile ganz gut.
Jetzt, wo ich in meiner Heimat bin, meinen Schulabschluss mit biegen und brechen (ich war das letzte halbe Schuljahr tatsächlich durchgehend krankgeschrieben) irgendwie geschafft habe und zur Ruhe komme, merke ich jedoch, wie sich die jahrelange Kompensation rächt.
Ich habe Jahre über meinen Kräfteverhältnissen leben und arbeiten müssen. Überkompensieren müssen eben. So kommt es jetzt mitunter häufiger vor, dass ich nach einer Stunde aktiver Arbeit bereits wieder erschöpft ins Bett falle. Oder nach einem Termin, für den ich vielleicht insgesamt etwa 3 Stunden unterwegs war, erstmal wieder ins Bett Kraft tanken muss, bevor überhaupt wieder irgendetwas geht.
Was ich mit diesem Geschreibsel hier sagen will ist: Natürlich ist Kompensation ein manchmal gutes und notwendiges Mittel um nicht aufzufallen. Um in der Masse unterzugehen. Aber es ist ein sehr zweischneidiges Schwert. Denn: Wer zu viel kompensiert oder kompensieren muss, weil Schule und Umfeld das fordern, wird (wie ich) mit daraus resultierenden (Langzeit) Folgen zu kämpfen haben.
Ich schreibe dies, weil ich davor warnen und darüber aufklären möchte.
Ich möchte, dass sich Schulen oder auch spätere Ausbildungs und Arbeitsstätten bewusst machen, dass das, was sie von vielen AutistInnen fordern, für sie je nach Zeitraum massive einschränkende Folgen haben kann und sie eben nachweislich schädigen kann.
Es soll eben einfach weniger Menschen geben, die so dermaßen überkompensieren müssen, wie ich es musste und die jetzt vor dem Scherbenhaufen stehen und diesen aufsammeln dürfen (RW)