Stellt euch einmal ein Haus vor: Das Haus ist durch eine Rampe begehbar, beherbergt einen Fahrstuhl und hat für Blinde entsprechende Brailleschrift zur Auskunft und eine Ansage, die vorlesen kann, was wo wie zu erreichen ist.
Doch gleichzeitig hallt es in vielen Räumen furchtbar, es ist oft sehr voll und laut und es fehlt ein Raum, der als Rückzugsort dienen kann.
Schön und gut, aber was will ich eigentlich damit sagen? Bei dem mehr oder weniger besten Bestreben, die Barrieren zu minimieren bzw. sie gänzlich abzuschaffen wird oft, auch im Zuge der Inklusion ein wichtiger Teil übersehen: Die nicht sichtbaren Barrieren und Mauern.
Mein Autismus ist nicht sichtbar. Auch die Anstrengungen und Kraft, die es mich kostet, eine für Nichtautisten vollkommen normale Bahn- oder Busfahrt zu überstehen sind es nicht. Ebenso wenig die Überforderung, die in einer lauten, hellen, schrillen Schulklasse oder einem entsprechend lauten Arbeitsplatz auf mich wartet.
Übersehen werden häufig und nur allzu gerne die für den “normalen” Menschen nicht sichtbaren Barrieren, die aber leider mit einer der am häufigsten anzutreffenden sind. Für einen Mutisten ist es meist eine unüberwindbare Barriere, sich Infomaterial, wie beispielsweise Broschüren, an einem Empfang erfragen zu müssen, anstatt dass er sie sich einfach nehmen kann und sie ausliegen oder in einem Ständer stehen oder, oder, oder.
Diese Barriere ist aber von außen nicht sichtbar und so wird bei barrierefreier Einrichtung oft nicht genug auf eben solche unsichtbaren Mauern Rücksicht genommen.
Steht ein Rollstuhlfahrer vor einer Treppe, würde sicherlich niemand von ihm verlangen, aufzustehen und zu laufen. (Ich hoffe zumindest nicht, dass jemand auf eine derart absurde, behindertenfeindliche Idee käme)
Aber setzen wir in diese Metapher einmal den Autisten, der am Bahnhof im Shutdown ist, weil er, trotz dessen dass er mehrfach gesagt hat, ihm ist das zu viel, dazu gedrängt wurde, zum Beispiel nach der Schule noch für die Mutter einkaufen zu gehen oder auf der Arbeit nochmal länger zu bleiben, weil etwas noch nicht ganz fertig ist, obwohl er schon so lange arbeitet, dass er täglich hart an der Grenze dessen ist, was er leisten kann. Oder den Autisten, dem die Bahnfahrt oder die Busfahrt an sich zu viel ist, weil etwa morgens das Licht im Zug zu hell ist, die anderen Menschen zu laut sind, es einfach zu voll ist.
Oder den Mutisten, der (wie oben geschrieben) eigentlich Infomaterial z.B. vom Arbeitsamt bräuchte, aber am Ende einfach wieder rausgeht, weil er für die Infomaterialien mit der Frau am Schalter sprechen müsste
Wie oft werden wir Autisten also vor diese metaphorische Treppe gestellt und wie oft wird von uns verlangt, doch einfach zu laufen? Einfach zu funktionieren? Diese unsichtbaren Barrieren und das oftmals damit verbundene Unverständnis darüber, wieso wir gewisse Dinge, die für euch anderen vielleicht Alltag sind, einfach manchmal nicht mehr leisten können, weil wir schon an unsere Grenzen und ganz oft auch noch weit darüber gehen, das ist es, was uns so zu schaffen macht.
Ich hoffe, dass ich mit diesem Beitrag einigen von euch einmal einen Denkanstoß geben konnte und euch gut verbildlichen konnte, wie es für uns ist, wenn diese Barrieren, wie so oft, einfach übersehen werden.